Serielles Bauen - Allheilmittel oder Wunschdenken?
Die Bundesbauministerin will die Baukosten durch serielles Bauen halbieren – doch zu welchem Preis? Wir analysieren Chancen und Risiken serieller Bauweise und zeigen, warum Effizienz wichtig ist, aber Baukultur nicht auf der Strecke bleiben darf.
„Serielles Bauen halbiert die Baukosten“ – wie realistisch ist dieses Ziel?
Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz will dem Wohnungsbau in Deutschland neues Leben einhauchen – mit dem Versprechen, die Baukosten durch serielles Bauen um bis zu 50 % zu senken. Eine Schlagzeile, die aufhorchen lässt. Aber auch eine, die differenziert betrachtet werden muss.
Als Architekturbüro mit Erfahrung in Planung und Umsetzung serieller Bauformen sehen wir die Potenziale durchaus – aber auch die Grenzen.
Was ist serielles Bauen überhaupt?
Beim seriellen Bauen geht es darum, Gebäude oder Gebäudeteile standardisiert zu entwerfen und vorzuproduzieren. Durch modulare Konzepte, industriell gefertigte Bauelemente und wiederkehrende Strukturen sollen Planungs- und Bauprozesse beschleunigt sowie Kosten gesenkt werden.
Besonders in der Wohnungswirtschaft findet diese Methode seit einigen Jahren vermehrt Anwendung.
Kosten senken – ja. Halbieren – nein.
Richtig ist: Serielles Bauen kann Einsparpotenziale heben – vor allem bei großen Bauvorhaben mit wiederkehrenden geometrischen Elementen. Typische Beispiele sind:
- Mehrgeschossige Wohnbauten mit identischen Grundrissen
- Schulbauten oder Verwaltungsgebäude mit modularen Raumzellen
- Wohnquartiere mit standardisierten Fassaden und Bauteilen
Doch die Realität sieht oft anders aus: Grundstücke, Bebauungspläne, Nutzungskonzepte und städtebauliche Anforderungen sind selten so homogen, dass eine durchgängige Serienfertigung möglich ist. Jedes Projekt braucht individuelle Anpassungen.
Wirtschaftlichkeit durch Wiederholung – aber nicht automatisch nachhaltig.
Serielles Bauen kann wirtschaftlich sein – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Hohe Stückzahlen mit gleichen Modulen oder Grundrissen
- Kurze Bauzeiten durch industrielle Vorfertigung
- Geringe Komplexität bei Geometrie und Detailausbildung
Fehlen diese Faktoren, verpufft der ökonomische Vorteil schnell. Und mehr noch:
Nicht jede Form der Serienfertigung ist automatisch nachhaltig und auch Kosteneffizient.
Große Fertigungsstandorte sind meist nicht dort, wo gebaut wird. Es braucht weite Transporte – und damit viel graue Energie. Vor allem bei modularen Bauteilen wird oft „Luft transportiert“ – sprich: Volumen ohne Nutzlast. Hinzu kommt, dass bestimmte Systeme nur bei geeigneter Witterung montierbar sind – was Zeitpläne ins Wanken bringt.
Auch statisch muss bei vorgefertigten Elementen oft dicker aufgetragen werden:
Bauteile müssen nicht nur den Eigen, Nutz- und Verkehrslasten im fertigen Zustand genügen, sondern auch den besonderen Beanspruchungen beim Transport und während der Montage. Das führt in manchen Fällen zu einem höheren Materialeinsatz, als bei klassischer Herstellung vor Ort – was weder nachhaltig noch kosteneffizient ist.
Gerade mit Blick auf unsere marode Infrastruktur ist das ein kritischer Punkt: Transporte über weite Strecken belasten nicht nur die Umwelt, sondern auch Straßen und Brücken – ein Aspekt, der bei der Bewertung von Serienlösungen oft unberücksichtigt bleibt.
Serielle Effizienz ja – aber nicht um jeden städtebaulichen Preis
Richtig effizient wird serielles Bauen dann, wenn die Vorfertigung nicht nur projektbezogen, sondern projektübergreifend erfolgt – also wenn ein System über viele Bauvorhaben hinweg wiederverwendet wird. Das senkt Kosten, spart Zeit und vereinfacht Prozesse.
Doch genau darin liegt die architektonische Gefahr:
Wenn überall dieselben Module, Fassaden und Raumtypen entstehen, droht langfristig eine visuelle Gleichförmigkeit unserer Städte. Individualität, regionale Baukultur und ortsspezifische Identität gehen verloren.
Gebäude sind keine Autos.
Sie erfüllen je nach Region, Nutzung und Kontext unterschiedliche Ansprüche. Architektur ist mehr als Funktion und Hülle.
Ja, es muss mehr vorgefertigt und weniger handwerklich auf der Baustelle gearbeitet werden – aus Gründen der Effizienz, Nachhaltigkeit und Fachkräftesituation.
Aber: Wir dürfen nicht zu seriell denken.
Städte brauchen Vielfalt, Charakter und Einbindung ins Umfeld – kein Copy-Paste-Urbanismus.
Fazit: Serielles Bauen ist ein Werkzeug – kein Wundermittel
Als Architekturbüro begrüßen wir alle Ansätze, die den Wohnungsbau effizienter, schneller und wirtschaftlicher machen. Serielles Bauen ist ein wichtiger Baustein dabei – aber kein Allheilmittel. Unter bestimmen Voraussetzungen kann es ein Projekt wirtschaftlicher machen- auch sehr deutlich. Es jedoch kein Konzept, was man mit der Gießkanne flächendeckend anwenden kann.
Eine ehrliche Debatte braucht belastbare Zahlen, klare Rahmenbedingungen und ein Verständnis dafür, wo Standards sinnvoll sind – und wo sie gute Architektur behindern.